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Wir trafen also Jemima Harrison auf der Crufts, der weltgrößten Hundeshow, die Rassehundezüchterszene hatte sie fünf Jahre zuvor durch ihren tollen Film “Pedigree dogs exposed” mächtig aufgemischt. Hatte sich etwas verändert, im besten Fall: zum Guten?
Tatsächlich gewannen bei der Hundeshow 2013 nicht mehr die Jagdhunde mit dem am Boden schleifenden Bauch: Der Sieger der Bassethounds hatte immerhin bestimmt drei Zentimeter Luft nach unten, nur die viel zu langen Ohren schleiften beim Bücken noch am Hallen-Boden.
Und, ja, die Tagessieger wurden nach der Kür von einem Tierarzt untersucht – der VET-Check war vom Kennel-Club groß in den Medien angekündigt worden, als Signal: wir sind auf dem Weg der Besserung!?
Der VET ließ den Gewinner-Mops, denn nur die Gewinner wurden gecheckt, dann zum Beispiel ein paar Meter gehen, draussen, vor der Halle. Um zu sehen, ob er tot zusammenbricht? Den Gefallen tat er den Kritikern nicht, zum Glück. So ein Mops ist zwar eher ein Mischwesen als ein Abkömmling vom Wolf, mit dem er trotzdem 99,9 % der Gene gemeinsam hat, aber trotzdem ist der Mops auch ein liebenswertes Geschöpf, mit dem man auch Gassi gehen kann. Nur vielleicht nicht bei praller Sonne und 30 Grad.
Als wir erfuhren, dass die Tierärzte vom Kennel-Club bezahlt wurden, waren wir dann auch skeptisch, ob mehr als nur medialer Wind hinter den Bemühungen stand, gesündere Hunde zu züchten, und nicht mehr oder jetzt vielleicht endlich weniger nach von Verbandsfunktionären festgelegten Rassemerkmalen. Wie die abfallenden Hüfte beim Deutschen Schäferhund, im Ring bei der Crufts noch immer zu sehen; eine Karikatur seiner selbst.
Nach den Ausstrahlungen unserer beiden Hundefilme im WDR (und den angeschlossenen Funkhäusern) wurden wir von vielen gelobt; von vielen aber auch in Grund und Boden verdammt. Es gab einen regen “Austausch” im Gästebuch der ARD, insgesamt auf 56 Seiten. Ich suche mal bei Gelegenheit die Top 10 raus;-)
Warum sollte es uns da andres gehen als Jemima Harrison, die nach ihrem Film zum Teil unerträgliche Anfeindungen ertragen musste. Siehe Jemima Harrisons Blog.
So waren einige Bulldoggenzüchter nicht mehr gut auf uns zu sprechen, wohnten wir doch bei der Absamung einer englischen Bulldogge bei: der Rüde sollte zur Zucht eingesetzt werden, doch aufgrund seiner zu kurzen Beine, schafft er einfach den Sprung auf das Weibchen nicht, also musste der Arzt, wie sagt man so schön auf Englisch: Give him a hand… Auch beim Gebären hilft die Apparatemedizin: Die Bulldoggen-Jungen kommen immer häufiger per Kaiserschnitt zur Welt, weil sie zu große Köpfe haben, zuchtbedingt. Das ist auch bei Deutschen Dogge so – ein toller, freundlicher Hund, der selten älter als fünf, sechs Jahre wird. Weil sie immer größer gezüchtet wurden.
Nein, bei Hunden kann man es auch nicht allen recht machen, vor allem auch den Züchtern nicht, insbesondere denen vom VDH nicht, dem Verband für das Deutsche Hundewesen. Sicherlich ist eines richtig: Die Schlimmsten müssen nicht zwingend vom VDH kommen, nein. Aber wer sein Geld vor allem mit Hundeshows verdient – viele Hunderttausend Euro im Jahr-, auf denen Zuchtrichter eine einigermaßen objektive Wahl treffen wollen und müssen, welcher Cavalier Kings Charles dieses Jahr Sieger wird, der muss auch Standards dazu aufstellen. Soweit die zwingende Grundlage für Hundeverbände wie den englischen oder den amerikanischen Kennel-Club oder eben den VDH. Und der Kern des Pudels (sorry, für das Wortspiel): Jahrzehntelang ging das da eben vor allem um das Aussehen! Beim King Charles Spaniel: runde Augen, runder Kopf: Kindchenschema. Wie erreicht man das? Indem man sich einen Hund sucht, der dem Rassestandard am nächsten kommt und diesen mit einer Hündin kreuzt, die dem Rassestandard am nächsten kommt. Zum Beispiel: der Grossvater und die Enkelin. Denn die hat man ja beide noch im Haus. Ja, das ist verknappt. Aber das war früher bestimmt diese ahnungslose Bequemlichkeit, gepaart mit dem Drang, den Markt für die Rasse auch bedienen zu können. Um Geld zu verdienen. Und auf den Shows Anerkennung zu erlangen.

Noch ein häufiger Erbdefekt bei Hunden schwere Herzfehler (ganz schlimm beim Dobermann, siehe hierzu den Film von Ruth Stolzewski): Das erste Anzeichen ist oft auch das letzte. Der Hund stirbt einfach.
Was waren die Konsequenzen? King Charles Spaniel leiden an Syringomyelie, einer Verengung des Rückenmarkkanals. Es gibt Studien, die behaupten, dass über 70% diese Vererbung mit sich herumtragen. Wie sich das dann bei der Rasse äußert? Der Hund glaubt, am Hinterkopf sitzt ein Schwarm Fliegen; nein: im Hinterkopf sitzt ein Schwarm Fliegen. Deswegen muss er sich zwanghaft dort kratzen. Dazu paart sich dann auch häufig noch ein jämmerliches Gejaule. Grauenvoll, auf Youtube gibt es da Videos, ich hab davon schlecht geschlafen… Nicht schlimmer allerdings sind die Videos von Hunden mit Epilepsie. Und das tritt bei manchen Rassen wie dem Australian Sheppard ziemlich häufig auf. Da helfen nur Pillen. Ein Leben lang. Der King Charles kann operiert werden, indem man den Schädel weitet. Aber das hilft auch nicht bei jedem einzelnen Tier. Und dann: eine Hirn-OP? Für einen Hund? Ja, Hunde-Besitzer sind irr. Im ganz positiven Sinne. Meistens, zumindest.
Im nächsten Blog-Post: Wir treffen Pukka in Jackson Hole, Wyoming, USA.
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